12.Dezember 2022
Experten-Talk zu Speicherung und Transport von Wasserstoff
Wasserstoff wird eine wichtige Rolle in der Transformation des Energiesystems weg von fossilen Energieträgern einnehmen. Transport und Speicherung kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Hydrogen Austria, der österreichische Wasserstoff-Cluster, lud daher zu einem Expert:innen-Talk zum Thema.
© MPreis/Franz Oss
Knapp 60 Teilnehmer:innen nutzten die Gelegenheit, sich bei einer Online-Veranstaltung am 5. Dezember auf den neuesten Stand in punkto Speicher- und Transporttechnologien von Wasserstoff zu bringen. Gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern lud Hydrogen Austria, der österreichische Wasserstoff-Cluster, zu einem Expert:innen-Talk. Horst Steinmüller, Obmann des Vereins WIVA P&G, betonte in seinen Begrüßungsworten, dass es unumgänglich sei, dass alle Wasserstoff-Akteur:innen gemeinsam an einem Strang ziehen. Die Größe Österreichs verbiete Alleingänge und den Aufbau von Parallelstrukturen.
Wasserstoff-Speicher im Überblick
Thomas Stöhr von Hydrogen-Austria-Kooperationspartner HyCentA erläuterte in seinem Vortrag, warum Wasserstoff das Potenzial hat, fossile Primärenergieträger zu ersetzen. Dafür spreche insbesondere die Möglichkeit, mittels Wasserstoff Ungleichheiten zwischen Angebot und Nachfrage am Strom-Markt auszugleichen. Wasserstoff kann hier als Speichermedium dienen – Voraussetzung dafür sind entsprechende Speicher- und Transportmöglichkeiten
Druckgasspeicher stellen den aktuellen Stand der Technik bezüglich Speicherung von Wasserstoff dar. Für spezielle Anwendungen wird dieser auch flüssig gespeichert. Wasserstoff kann jedoch auch unterirdisch gelagert werden, z.B. in ehemaligen Gas-Kavernen. Immer mehr an Bedeutung gewinnen sogenannte LOHC-Speicher. LOHC steht für Liquid Organic Hydrogen Carrier. Dies sind flüssige Wasserstoff-Trägermedien, mit denen Wasserstoff bei Umgebungstemperatur gespeichert und transportiert werden kann.
Pipelines für Wasserstoff
In Europa werden in naher Zukunft große Mengen an Wasserstoff benötigt. Dieser muss importiert und über den Kontinent verteilt werden. Edwin Kaufmann von Gasconnect Austria bezifferte den Importbedarf für Österreich auf rund 1 Mio. Tonnen Wasserstoff pro Jahr. Allein die Stahlerzeugung in Linz benötige 400.000 Tonnen grünen Wasserstoff jährlich. Dies entspricht der Hälfte der gesamten derzeitigen österreichischen Strom-Erzeugung. Zum Transport dieser Mengen eignen sich z.B. bestehende Erdgasleitungen, welche für den Transport von Wasserstoff adaptiert werden.
Es sei zu erwarten, dass Pipelines insbesondere zu Beginn des Hochlaufens der Wasserstoff-Wirtschaft nicht mit dem Transport von Wasserstoff ausgelastet sein werden. Kaufmann geht daher davon aus, dass dieser mit Methan vermengt, per Pipeline transportiert und an der gewünschten Stelle wieder entnommen werde.
Die European-Hydrogen-Backbone-Initiative sieht vor, bis 2030 28.000 Kilometer Wasserstoff-Leitungen in Europa zur Verfügung zu stellen. Bis 2040 sollen es 53.000 Kilometer sein. Für den Großteil davon, nämlich für 60 Prozent, sollen umgewidmete Erdgasleitungen verwendet werden.
Untergrund-Speicherung großer Wasserstoff-Mengen
Stephan Bauer von Hydrogen-Austria-Clustermitglied RAG Austria beleuchtete in seinem Vortrag die Speichermöglichkeiten für Wasserstoff. „Momentan wird viel über aufgelassene Salz-Kavernen gesprochen“, so Bauer, „diese werden jedoch für die Speicherung der benötigten Wasserstoffmengen nicht ausreichen. Das größte Speicherpotenzial liege in ausgeförderten Erdgas-Lagerstätten.
In den Sommermonaten gebe es bereits jetzt Nettoüberschüsse an elektrischem Strom, im Winter hingegen Defizite. Es sei zu befürchten, dass diese Schere in Zukunft weiter aufklaffen werde, wenn mehr Wärmebedarf mit Strom abgedeckt werden soll. Die Devise im Sommer heiße daher „Power to Gas“, im Winter umgekehrt „Gas to Power“. „Wir werden nicht um die saisonale Speicherung von Energie herumkommen“, so Bauer.
Die RAG verfolgt bereits zahlreiche Projekte mit verschiedenen Partnern, welche sich mit der Speicherung von Wasserstoff im Untergrund beschäftigen. Das Projekt „Underground Sun.Storage 2030“ dient der Entwicklung einer sicheren, saisonalen und großvolumigen Speicherung von erneuerbarer Energie in Form von Wasserstoff in unterirdischen Gaslagerstätten. In diesem weltweit einzigartigen Forschungsprojekt wird erneuerbare Sonnenenergie klimaneutral mittels Elektrolyse in grünen Wasserstoff umgewandelt und in ehemaligen Erdgaslagerstätten in reiner Form gespeichert. Bestandteil des Projekts ist u.a. ein 2-MW-Elektrolyseur. Das Arbeitsgasvolumen beträgt 1,6 Mio. Nm3, der Wasserstoff wird bei 56 bis 76 Bar gespeichert.
Wasserstoff-Speicherung und Transport zum Endkunden
Martin Haslinger von der Linde Gas GmbH erläuterte, welche Technologien aktuell in seiner Firma in punkto Transport und Speicherung von Wasserstoff zum Einsatz kommen. Aktuell wird Wasserstoff mittels Tankwagen oder in Flaschen abgefüllt zu den Kunden gebracht, Großkunden verfügen zum Teil über eigene Rohrleitungen.
Zur Herstellung von Wasserstoff hat Linde in Österreich drei Dampfreformatoren im Einsatz, zwei weitere sind direkt bei Kunden installiert. Am Standort Linz gibt es Trailer-Filling-Anlagen für 200- und 300-Bar-Befüllung. Linde hat zudem bereits sechs Wasserstoff-Tankstellen verwirklicht.
Ebenfalls mit der Speicherung von Wasserstoff beschäftigt sich die Firma Worthington Industries. In ihren drei Werken in Europa werden nicht nur Behälter der Typen I und II hergestellt, erläutert Radiša Nunić, Verkaufsleiter für Alternative Antriebe für Schwerfahrzeuge.
Worthington stellt auch sogenannte Hochdruck-Composite-Behälter der Typen III und IV her. Diese bestehen entweder aus einem Kunststoff- oder Aluminiummantel, welcher dann mit gehärteten Kohlefasern vollumwickelt werden, wodurch sie höheren Drücken standhalten. Diese Behälter eignen sich hervorragend, um Wasserstoff zu speichern und zu transportieren. In Containern können mehrere dieser Composite-Behälter gebündelt werden. „In einem 40-Fuß-Standardcontainer können wir so bis zu einer Tonne Wasserstoff transportieren“, erklärt Nunić.
Betankungsanlagen
Hydrogen-Austria-Clustermitglied Wolftank entwickelt Wasserstoff-Technologien, welche die effiziente Verbindung zwischen H2-Produktionsanlagen und Endverbrauchern ermöglichen, erläutert Geschäftsführer Markus Lechthaler. Zu den Kernprodukten des Unternehmens gehören Wasserstoff-Zapfsäulen verschiedener Größenordnungen.
Der einfachste Weg, Speicherung und Betankung zu kombinieren, sind Containerlösungen. Hierbei ist jedoch die Betankungsgröße beschränkt, zudem wird ein Trailer benötigt. Baukasten-Lösungen eignen sich für Flottenbetankungen. Sie bestehen aus verschiedenen Containern für Anlieferung, Verdichtung, Pufferspeicherung und Technik. Eine ortsfeste Lösung stellen Wasserstoff-Tankstellen dar.
Für den Transport von Wasserstoff setzt Wolftank auf Logistik-Container. Diese sind als Gefahrengut klassifiziert und können dadurch auch grenzüberschreitend eingesetzt werden. Kleine Wasserstoff-Speicher eignen sich laut Lechthaler gut für Anwendungen, wo es mit Batteriespeichern Probleme gibt, z.B. Notstrom-Systeme.
Speicherung mit geringem Druck
Lukas Renz und Merkur Smajlaj von Hydrogen-Austria-Clustermitglied Hydrosolid stellten ihren Wasserstoff-Speicher HIVE ONE vor. Bei diesem handelt es sich um einen hexagonal geformten Speicher für 2 Kilogramm Wasserstoff. „Der HIVE One beinhaltet ein patentiertes Nanomaterial“, erklärt Lukas Ranz, „dieses bindet Wasserstoff auf atomarer Ebene. Das Material nimmt unter Raumtemperatur Wasserstoff auf und gibt ihn bei leichter Erwärmung wieder frei – all das bei einem geringen Druck von 15 Bar.“
Der Hive One wird direkt ab Elektrolyseur befüllt. Er lässt sich skalieren, indem mehrere Behälter zu Bündeln zusammengefasst werden. Mögliche Einsatzbereiche sind Wasserstoff-Speicher für Privathaushalte und Energiegemeinschaften, die Sektorkopplung sowie Mobilität.
Links:
>>WIVA P&G
>>HyCentA
>>Gas Connect Austria
>>European Hydrogen Backbone
>>RAG Austria AG
>>Underground Sun Storage 2030
>>Wasserstoff Linde Gas GmbH
>>Worthington Industries – Hochdruck-Gasverpackungen
>>Wolftank – Geschäftsbereich Wasserstoff
>>HIVE ONE von Hydrosolid